Es geht nicht um entweder-oder

Die intensive Landwirtschaft versucht mit Hilfe von industriellen Mitteln pro Flächeneinheit bzw. pro Tier einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen, wobei technische und wissenschaftliche Innovationen zum Einsatz kommen. Dafür wird sie immer wieder stark kritisiert. Im Sinne der ökologischen Philosophie wird eher auf eine extensive Landwirtschaft gesetzt, bei der Flächen weniger „intensiv“ genutzt werden und weniger Tiere pro Quadratmeter gehalten werden. Liest man den „Bericht zur Lage der Natur“, den Umweltministerin Svenja Schulze am 19. Mai veröffentlichte, könnte man meinen, die intensive Landwirtschaft sei für alle Probleme, die Umwelt betreffend, verantwortlich. Dieser Bericht bereitete gewissermaßen den Weg für die Strategien der EU-Kommission, die einen Tag später, am 20.05.2020, im Rahmen des „Grünen Deals“ in Brüssel vorgestellt wurden.

Die „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie, auch bekannt als „Farm to Fork“-Strategie, der EU-Kommission, will die Lebensmittelsysteme nachhaltiger machen. Dafür sieht sie massive Einschränkungen in der Landwirtschaft vor: Bis 2030 sollen 50 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel verwendet werden und ebenso 50 Prozent weniger Antibiotika zur Anwendung bei der Tierhaltung kommen. Außerdem sieht sie eine Reduzierung der Düngung um 20 Prozent vor. Zu diesem Vorhaben kommt des Weiteren noch die „Biodiversitätsstrategie“ hinzu, die die biologische Vielfalt erhalten bzw. wiederherstellen soll und somit die natürlichen Ressourcen des Planeten zu schützen beabsichtigt.

Der EU-Rechnungshof geht noch einen Schritt weiter: Er kommt zu dem Schluss, dass die intensive Landwirtschaft die Hauptursache für Biodiversitätsverluste in Deutschland darstellt. Er kritisiert, dass die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) dem Rückgang der biologischen Vielfalt nicht genügend entgegengewirkt habe und fordert von der EU-Kommission ein Eingreifen in die Verhandlungen der GAP.

Die Motive hinter diesen Forderungen und Bestimmungen sind ehrenwert und verständlich. Biodiversität ist die Grundlage allen Lebens und auch einer erfolgreichen Wirtschaft. Klima- und Umweltschutz sind elementar wichtig für die gesamte Weltbevölkerung und alle anderen Lebewesen. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass durch intensive Agrarwirtschaft Belastungen für Klima und Umwelt entstehen. Dafür braucht es langfristige und nachhaltige Lösungen. Das Problem liegt jedoch in der Herangehensweise:

Es wird aktuell der Eindruck erweckt, dass durch die geforderten Maßnahmen ein Deutschland voller Bio-Bauernhöfe entstünde, das sich nachhaltig und umweltbewusst ernährt. Doch das ist ein Trugschluss: Die ökologische Landwirtschaft kann nicht genügend Erträge erwirtschaften, um ganz Deutschland zu versorgen. Wenn die Strategien in dem Maße, wie es der „Grüne Deal“ vorsieht, umgesetzt werden müssen, wird die Produktion der intensiv wirtschaftenden Betriebe dramatisch sinken. Durch die vorgesehenen Reduzierungen von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln beispielsweise wird nicht nur die die Menge der Erträge sinken, auch die Qualität der Lebensmittel wird stark darunter leiden. Ein Beispiel ist Weizen: Er kann unter solchen Bedingungen seinen Standard nicht halten, verliert dadurch seine Konkurrenzfähigkeit am Markt und wird folglich aus der Fruchtfolge verschwinden. Auch der ertragreiche Anbau von essenziell wichtigen Produkten wie Kartoffeln und Zuckerrüben ist unter solch eingeschränkten Möglichkeiten gefährdet. Da die erwirtschafteten Erträge voraussichtlich nicht mehr ausreichen werden, um durch ihren Verkauf die finanziellen Belastungen der Betriebe ausgleichen zu können, werden viele von ihnen daher zwangsläufig schließen müssen. Außerdem wird es nicht mehr ausreichend Lebensmittel geben, die in Deutschland produziert wurden, um alle Bewohner des Landes zu ernähren. Um die Differenz auszugleichen, werden Produkte aus dem Ausland importiert werden müssen, auf deren Produktionsbedingungen man keinen Einfluss hat, da ökologisch produzierte Lebensmittel des eigenen Landes die Lücke nicht füllen können. Die zu erwartende Konsequenz daraus: Die Importabhängigkeit wird steigen und zahlreiche Existenzen werden ruiniert.

Daher ist es so wichtig, den Initiativen und Protesten der Landwirte Gehör zu schenken. Sie sind keine Gegner von Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Sie sind ebenfalls bereit Einschränkungen und Reduktionen vorzunehmen. Sie fordern lediglich gemäßigtere Maßnahmen, sowie mehr Bedacht und Weitsicht bei den Strategien. Es geht nicht um „entweder- oder“, sondern um sinnvolle und vernünftige Kompromisse, die sowohl die Ernährung der Menschen, die eigene Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit, als auch den Klima- und Umweltschutz berücksichtigen.

Wir plädieren daher dafür, dass die Politiker auf Bundes- und EU-Ebene, im Sinne der ganzen Gesellschaft, für den Stellenwert der Landwirtschaft sensibilisiert werden und ein gemeinsamer Austausch stattfindet. Sonst drohen die Intentionen, die hinter dem „Grünen Deal“ stehen, am Ende nach hinten loszugehen.

Es geht nicht um „entweder-oder“